Heute Morgen habe ich einen sehr interessanten Beitrag von Sascha über die Notwendigkeit eines ausführlichen Pflichtenheftes gelesen. Die Frage lautet nun, ob auch ich bei meinen Kunden ein Pflichtenheft voraussetze oder wegen Bequemlichkeit darauf verzichte?
Zunächst: Was ist ein Pflichtenheft? Ein Pflichtenheft kann man sich als Leitfaden zur Programmierung eines Projektes vorstellen. In diesem Pflichtenheft sind wirklich alle Funktionen, die das Projekt leisten soll, bis ins kleinste Detail beschrieben. Ebenso finden Ausschlusskriterien in einem Pflichtenheft ihren festen Platz. Das Pflichtenheft an sich ist einfach ausgedrückt eine Anleitung für den Programmierer, die in Zusammenarbeit mit dem Kunden ausgearbeitet wurde. Die weiteren Vorteile eines Pflichtenheftes hat Sascha in seinem Beitrag sehr schön erklärt.
Die Erfahrung der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass die Realisierung eines Pflichtenheftes auch sehr vom Kunden selbst abhängt. Einerseits gibt es diejenigen, die die Notwendigkeit eines Pflichtenheftes absolut nicht einsehen. Das sind dann auch meist die Projekte, die man ohne schlechtes Gewissen auch Zeiträuber nennen kann. Grundsätzlich laufen diese Projekte darauf hinaus, dass nach Abschluß sehr zeitintensiv nachgearbeitet werden muss und oftmals hier die eigentliche Arbeit erst anfängt, weil der Kunde selbst der Meinung ist, dass er dieses und jenes so gar nicht gesagt hat oder sich so einige Sachen vollkommen anders vorgestellt hat. Mit der Zeit lernt man als Entwickler diese Kunden von der Notwendigkeit eines Pflichtenheftes zu überzeugen oder lehnt sie von vornherein ab. Sollen sich diejenigen damit herumschlagen, die die Zeit für solche Zeiträuber haben.
Dann gibt es diejenigen, die schon über eine lange Zeit Kunden sind. Hier spielt vielmehr die Gewohnheit eine Rolle, als die Bequemlichkeit auf ein Pflichtenheft zu verzichten. Man ist sich über die Zeit eben so grün geworden, dass man als Entwickler genau weiß, was der Kunde haben möchte, wenn er dieses und jenes sagt. Sicherlich haben auch hier Versuche stattgefunden, Pflichtenhefte für ausstehende Projekte zu erstellen. Allerdings hat sich dieses Unterfangen als Ding der Unmöglichkeit herausgestellt. Der Kunde muss eben erst einen Rohentwurf auf dem Bildschirm sehen, um dann die Feinheiten des Projektes zu erörtern. Sicherlich nicht der optimalste Weg. Aber als Programmierer gewöhnt man sich mit der Zeit einen eher offen gehaltenen, in Modulen gefassten Code an, so dass Erweiterungen hier keinen größeren Aufwand bedeuten. Allerdings setzen solche Kunden eben eine Menge Erfahrung voraus.
Bei normalen (Neu-) Kunden und entsprechendem Umfang und Projektwert, der bei MM Newmedia bei 300,00 EUR liegt, wird ein Pflichtenheft vorausgesetzt. Ob der Kunde das nun möchte oder nicht. Ohne Pflichtenheft geht hier nichts. Bei kleineren Projekten entscheide ich nach Gefühl, ob ein Pflichtenheft notwendig ist. Merke ich, dass der Kunde technisch nicht versiert ist, oder in der Vergangenheit einfach falsche Infos mit auf den Weg bekommen hat, findet eine entsprechende Beratung und die gemeinsame Erstellung eines Pflichtenheftes statt.
Die Planung eines Projektes ist ganz einfach das A und O eines reibungslosen Entwicklungsprozesses. Die Vergangenheit hat einfach gezeigt, dass es sich lohnt dem Kunden klar zu machen, dass ein Pflichtenheft notwendig ist. Einerseits trennt sich hier die Spreu vom Weizen unter den Webagenturen selbst, da es noch lange nicht Gang und Gebe ist, dass Pflichtenhefte erstellt werden. Letztendlich überzeugt hier viele potentielle Kunden auch die Professionalität, mit der man derartige Projekte angeht.
Mir fällt gerade noch ein, dass wir uns anscheinend schon seit längerer Zeit in einer Phase befinden, in der es immer mehr gebrandmarkte Kinder des Internets gibt. Hatte man sich anfänglich noch beklagt, dass viele User die Notwendigkeit einer Netzpräsenz noch nicht erkannt haben, ist es heute vielmehr so, dass die Erkenntnis zwar da ist, die notwendige Beratung des Users in Sachen Netzpräsenz aber einfach nicht stattgefunden zu haben scheint. Anders kann ich mir den Internetschrott, den viele Firmen als ihre Website präsentieren, nicht erklären. Viele Wissen gar nicht, dass es Standards gibt und wundern sich dann, warum ihre Seite mit jedem Release eines neuen Browsers anders aussieht. Auch hier spielt ein Pflichtenheft eine wesentliche Rolle. Der Kunde erfährt in Zusammenarbeit mit dem Webworker, was überhaupt heutzutage möglich ist, um sich im Netz so gut wie es nur eben geht zu präsentieren.
Was dentk ihr darüber? Werden Pflichtenhefte überbewertet oder sind sie eine Art Grundvoraussetzung für umfangreichere Projekte? Gibt es Leser mit Erfahrungen mit Webagenturen, die darauf verzichtet haben?
Ohne geht es nicht. Ansonsten wird der Entwickler zur blauen Fee, die alle Wünsche von jedem erfüllt bis das Geld mittendrin alle ist. Dann will keiner was gewesen sein.